Die Genese der Siedlungsformen in Mitteleuropa

Eine in ihrem Umfang bewußt beschränkte Darstellung kann eine an Zielsetzungen und Arbeitsrichtungen reichhaltige Disziplin, wie die Geographie ländlicher Siedlungen, die sich zudem ihre Forschungsobjekte mit anderen anthropogeogra­ phischen Disziplinen teilt, nicht gleichmäßig umfassend behandeln. Wichtige Forschungsgegenstände und Arbeitsverfahren, wie z. B. Gehöftformen oder funktionale Siedlungstypisierungen, verdienen insofern gesonderte Schilderungen, als sie nicht allein aus siedlungsgeographischer Sicht betrachtet werden dürfen. Siedlungsgang und Siedlungsräume bilden den Gegenstand eines anderen Heftes dieser Reihe. Die überwiegend genetische Ausrichtung der Darstellung entspricht der Forschungstradition; hiermit soll aber auch der interdisziplinäre Charakter des Objektes Ländliche Siedlungen verdeutlicht werden. Obwohl die Beschreibung und Erklärung der Siedlungsformen bewußt in den Mittelpunkt der Ausführungen gestellt wurde, war doch auf allgemeine soziale, wirtschaftliche und rechtshistorische Erscheinungen des ländlichen Siedlungswe­ sens einzugehen. Orts-und Flurformen resultieren vor allem aus den wirtschaftli­ chen und gesellschaftlichen Fähigkeiten der Siedlergruppen, den Kenntnissen und Absichten der Siedlungsgründer und dem Beharrungsvermögen von Sozialstruktu­ ren und Wirtschaftsformen. In dieser funktionalen Bindung an viele Faktoren müssen Siedlungsformen als in dauernden Veränderungen begriffene Erscheinun­ gen aufgefaßt werden; längerwährende Stabilität vonWohnplatz-und Flurparzel­ iierungen findet sich in der Regel nur in Sonderfällen. Siedlungsformen erwachsen also aus Vorgängen: die Beschreibung einer Siedlungsform kann oft nur den wenig dauerhaften Augenblickszustand eines Entwicklungsprozesses aufzeigen, ihre Deutung hat die Zeitspanne zwischen Siedlungsgründung und dem jeweiligen Betrachtungszeitpunkt zu berücksichtigen. In der Darstellung hatte deshalb auf die einleitenden Kapitel zunächst die Betrachtung von Faktoren, die siedlungsgestal­ tende Vorgänge auslösen, zu folgen.